Freitag, 26. November 2010

PARIS: La musique en rose ODER Ohrenschmerzen gibt es gratis (zumindest manchmal)

Kaum zurück in Paris hat mich die Stadt auch schon wieder in ihren Bann gezogen. Ende November sitzt man in den Restaurants immer noch draußen (obwohl schon die ersten Weihnachtsdekorationen auftauchen) und der Geruch von grösteten Maronen zieht durch die Straßen. Doch heute geht es weder um das, was man Sehen oder Riechen kann, sondern um das, was man hört, wenn man in Paris unterwegs ist.

La vie en rose von Edith Piaf ist sicherlich eines der berühmtesten französischen Lieder, aber, dass das musikalische Paris nicht immer ganz so rosig ist, offenbart sich einem sobald man die Pariser Metro betritt.  Hier deshalb eine kleine Auswahl meiner – mal mehr, mal weniger schönen – musikalischen Begegnungen der letzten Wochen.
Mitte Oktober. Ein Mann mit Akkordeon in der Metro. Typisch französische Amelie-Poulin-Musik, die mein Ich-bin-endlich-in-Paris-Feeling verstärkt. Genauso hatte ich mir Paris vorgestellt, doch schon bald muss ich lernen, dass auch diese anfängliche Begeisterung für die Pariser Stadtmusikanten schnell wieder nachlassen kann ... 

Anfangs war ich noch von jedem Metro-Musikanten begeistert ... Betonung liegt auf ANFANGS:-)

Nichts ahnend steigt man morgens noch halb verschlafen in die Metro und eine Dame mittleren Alters hat sich dazu entschieden, uns heute mit einem schief gesungenen Strangers in the night inklusive osteuropäischem Akzent in den Tag zu schicken. Wer das einmal gehört hat, weiß, da ist der Tag eigentlich schon gelaufen :-). Eher mittelmäßig begabt (und das ist wirklich schon übertrieben) ist auch die Dame gewesen, die sich mit Mikro und Instrumentalversion vom Band an einem Ave Maria versuchte. AHHHHHH, kann es denn noch schlimmer werden??? Antwort: Ja, es kann!!!

Anfang November. Auf dem Rückweg von der Sprachschule betritt ein junger Türke den Zug, schmettert ein fröhliches „Bonjour“ in die Runde und holt sein Musikinstrument raus. Musikinstrument? Naja, denn das, was er damit erzeugt kann man nun wirklich nicht als Musik bezeichnen. Aus seiner Flöte mit Tatstatur (zum großen Leidwesen meiner Eltern hatten Dario und ich so ein Ding als wir klein waren) kommen nur viel zu hohe Tönen, die nicht nur mir, sondern auch allen anderen Fahrgästen körperliche Schmerzen zufügen. Jedem Kleinkind würde man ein solches Gerät sofort verbieten (was meinem Bruder und mir damals übrigens auch passiert ist). Mit einem gequälten Lächeln ergeben wir uns alle unserem Schicksal und warten sehnsüchtig auf den nächsten Halt.
Insgesamt findet man in der Pariser Metro die komplette Bandbreite der Weltmusik vertreten. Da erklingt dann Lambada von Kaoma durch die Gänge der Opéra-Station oder La Condor Pasa wird – wie bei uns auf dem Ku’damm – von einer peruanischen Großfamilie mit Panflöten zum Besten gegeben. Unter dem Place de la Concorde kann man beim Umsteigen sowohl asiatischen Geigen als auch, ein paar Meter weiter, Sinatras My way lauschen. Auch ein griechischer Sirtaki, gespielt auf einem überdimensionalen tragbaren Xylophon und der Beatles Klassiker Let it be sind mir am frühen Morgen schon untergekommen.
Manchmal lassen sich auch ganze Streichorchester in der Pariser Metro finden (wobei ich zugeben muss, dass ich dieses leider nicht selber gesehen habe)  

Letztendlich möchte ich die Zunft der Pariser Straßenmusikanten nun aber doch auch noch einmal loben: An der Station Opéra sitzt manchmal eine Frau, die auf ihrer Geige wunderschöne Klassikmusik spielt, die sie auf einer CD sogar zum Verkauf anbietet. Super war auch vor einigen Tagen ein Klarinettenspieler, der eine unglaublich tolle Mischung zwischen Jazz und Klezmer gespielt und dem auch das Ruckeln des Zuges keinen einzigen schiefen Ton abgerungen hat.
Was gute Musik "anrichten" kann, sieht man in diesem Video ... spontane Tanzparty unter Tage J

Ein Rätsel bleibt mir allerdings weiterhin, wie die Musikanten mit diesen, teilweise ja doch sehr skurrilen, musikalischen Einlagen Geld verdienen, denn ich sehe nie jemanden etwas Geld geben und auch bei mir war der Klarinettist bisher der einzige, dem ich etwas in seinen Becher getan habe.

Mit diesen musikalischen Grüßen aus der französischen Hauptstadt Euch allen nun erstmal ein schönes erstes Adventswochenende,
Eure Benita

P.S.: Achja, La vie en rose zusammen mit Oh Champs Elysée bleibt auch in der Pariser Metro einer der All-Time-Favourites und wird wohl auch weiterhin auf allen Gleisen hoch und runter gespielt.

Mittwoch, 17. November 2010

CANNES: La côte des artists ODER die Fondation Maeght - ein ganz besonderer Künstlertreff

Das Mittelmeer - anders als sonst fällt mein Blick aus dem Fenster heute mal nicht auf einen Pariser Innenhof, sondern auf dieses große graue Blau. Bevor ihr Euch jetzt wundert, was das Mittelmeer auf einmal in Paris macht … ich bin gerade in Cannes und besuche langjährige gute Freunde meiner Familie.
Doch neben den Filmfestspielen von Cannes, einem skandalreichen Fürstenclan in Monacco und den aufgepumpten Schlauchboot-Lippen der Schönen und Reichen auf der Croisette bietet Frankreichs Mittelmeerküste noch viel mehr: Sanfte Hügel, grüne Wälder und terracottafarbene Häuser bilden eine Landschaft, die immer wieder Künstlern aus aller Welt als Inspirationquelle gedient hat. Zu sehen unter anderem im zeitgenössischen Museum der Fondation Maeght in St-Paul de Vence nur wenige Kilometer im Landesinneren.
Gegründet wurde die Stiftung von dem französischen Sammler-Ehepaar Marguerite und Aimé Maeght, die 1964 einen geeigneten Platz für ihre vielen Bilder suchten. Die Villa, die selbst schon einem Kunstwerk gleicht, wurde von dem spanischen Architekten Josep Lluis Sert gebaut, der unter anderem auch - und in diesem Falle unübersehbar - mit Le Corbusier zusammenarbeitete. 

der erste Blick auf die Villa

das Gebäude vom Innenhof gesehen
Schon von Beginn an war die Fondation jedoch nicht nur Museum, sondern auch Treffpunkt der künstlerischen Elite des 20. Jahrhunderts. Neben Joan Miró waren Georges Braques und Henri Matisse gern gesehene Gäste, die sich mit ihren Entwürfen in und um das Haus herum an der Gestaltung dieses ungewöhnlichen Ortes beteiligten.
Brunnen-Mosaik von Georges Braques
 Miró-Skulptur
Besonders beeindruckend ist der Garten der Villa. Inmitten von schiefgewachsenen Kiefern stehen da Skulpturen von Miró, die mit ihren satten Farben einen starken Kontrast zu den Naturtönen ihrer Umgebung bilden und Calders schwarze Stahlkonstruktion zeichnet sich vor dem, am Horizont liegenden, Mittelmeer ab.
vorne "Les Renforts" von Alexander Calder
Joan Miró's "Personnage"
Innerhalb des Gebäudes gibt es eine Dauerausstellung, in der weitere bekannte Künstler wie Marc Chagall oder Wassily Kandinsky vertreten sind. Dazu kommen regelmäßig wechselnde Expositionen, um alle Stücke der rund 12.000 Werke umfassenden Sammlung den Besuchern präsentieren zu können.
die Ausstellungsräume erstrecken sich über mehrere Ebenen
                                    
"Homme et femme" von Alberto Giacometti

Giacometti's früher Entwurf des IPads ;-) ?!
Ansonsten hat sich mir die Cote d’Azur leider eher von ihrer regnerischen Seite gezeigt, aber mit netten Gesprächen, ab und an einer leckeren Auster und einem kleinen Einkaufsbummel, stört das einen auch nicht wirklich :-). Und kommt man dann doch einmal in den Genuss einer kleinen Regenpause, in der sich die Sonne durch die Wolken schiebt, so kann man nachvollziehen, warum diese lichtdurchflutete Landschaft Künstler vieler Epochen zum Malen, Kreieren und Schaffen inspiriert hat.

Abendstimmung an der Côte d'Azur

Sonnenuntergang am Mittelmeer
Für mich geht es heute Abend zurück nach Paris und dann morgen früh gleich weiter in die Schweiz nach St. Gallen, wo ich an einer Studentenkonferenz über Indien teilnehmen werde, die eine Freundin von mir mitorganisiert hat (http://www.emerge-conference.com/). Nachdem ich den indischen Fortschritt – der meiner Meinung nach doch eher noch etwas eingeschränkt vorhandenen ist :-) – ja erst vor wenigen Wochen mit eigenen Augen gesehen habe, bin ich natürlich besonders gespannt, was mich dort erwartet.
LG von der Côte ... ob nun des artists oder d'Azur ...

Montag, 1. November 2010

PARIS: L’art de la rue ODER die Straße als Leinwand für Jedermann

Auf meinen bisherigen Streifzügen durch die Pariser Arrondissements sind mir mittlerweile viele verschiedene und teilweise ziemlich beeindruckende Graffiti-Malereien an den Hauswänden aufgefallen. Grund genug ihnen den heutigen Blog-Eintrag zu widmen.
Sicherlich, die Kritiker unter uns würden manche dieser Malereien wohl eher als Wandkritzeleien bezeichnen und etwas von dem Beschmutzen fremden Eigentums faseln, aber mir scheint, dass Streetart in Paris nicht nur als Schmierereien, sondern viel mehr als Ausdruck von enormer Kreativität verstanden wird. Wahrscheinlich auch, weil ich immer wieder auf Wandgemälde gestoßen bin, die man wirklich schon als Kunstwerke bezeichnen kann.


Absurdes Stilleben: Die Beatles mit Kiss-Masken neben Albert Einstein.

Eine Geisha, ein Spermium und die omnipräsente Werbung.

Wandbild von Jef Aérosol, einem DER französischen Graffiti-Künstler


Das tatsächliche Interesse für und die große Akzeptanz gegenüber der Straßenkunst habe ich am Samstag zufällig auch in Le Marais (einem der In-Viertel der Stadt) entdecken können. Dort fand in einer alten Fabrikhalle eine Veranstaltung der Association Le M.U.R. statt, die schon seit 2003 die Entwicklung der contemporary art und insbesondere der urban art fördert.  Wie in einer richtigen Ausstellung wurden hier die Werke der (Straßen-) Künstler in einer stylischen und modernen Umgebung präsentiert und beim Live-Painting konnte man den Künstlern sogar direkt über die Schulter schauen.


Ausstellungshalle der Association Le M.U.R.

Auch Jef Aérosols Werke waren auf der Ausstellung zu sehen.


ohne Worte :-)


Live-Painting für die Besucher


Dass es in Paris jedoch auch ganz ohne offizielle oder institutionalisierte Unterstützung geht, sehe ich jeden Morgen auf dem Weg zu meiner Sprachschule im 19. Arrondissement, denn dort hat jemand einfach den Bürgersteig zu seiner Leinwand gemacht, um der Welt seine persönliche Botschaft mitzuteilen.


Imagine LOVE

Imagine FREEDOM


Imagine JUSTICE


Imagine PEACE


Euch allen einen guten Wochenanfang und liebe Grüße aus Paris,


Benita