Mittwoch, 15. Dezember 2010

PARIS: Les bavoirs inhabituels ODER Pimp my Lätzchen

Eigentlich muss man doch nur DIE eine Idee haben und schon boomt das eigene Start-up-Unternehmen. So oder zumindest so ähnlich stellen sich das viele vor, doch ganz so einfach ist es natürlich nicht. Wieviel Kreativität, Energie und lange Nachtschichten dafür nötig sind, eine ungewöhnliche Idee in die Tat umzusetzen, wissen Maude Möhlmann und Daniel Benoist mittlerweile ganz genau. Seit Mitte diesen Jahres gibt es ihre Kollektion "PRET-A-TACHER", die simple Stoff-Lätzchen in Mode-Accessoires verwandelt. Ich habe mit Maude, dem kreativem Kopf des Projekts, über Lady Gaga, das Wohnzimmer als Produktionsstätte und ihr persönliches Paris gesprochen.




Logo der Kollektion


Maude, Du hast schon Schmuck für Promis wie Lady Gaga und Rihanna designt, wie kommt man da auf die ungewöhnliche Idee Mundtücher zu entwerfen?
Angefangen hat alles mit der Ausstellung "Designer's Days 2010" hier in Paris. Dort haben wir unsere Idee das erste Mal vorgestellt. Ich hatte erst kurz vorher die Lätzchen kreiert, einem Produkt, dem ich in erster Linie selbst verfallen bin. Ich muss dazu sagen, dass ich leidenschaftlich gerne esse und dass es schon ab und zu vorkommt, dass ich mich bekleckere. Und da ein Lätzchen ja eigentlich nun nicht für Erwachsene gilt habe ich mir überlegt, wie man denn so ein Produkt tragbar machen koennte. Da kam mir dann die Idee der kulinarischen Schmuckdekoration und dann ging alles recht schnell. Die Ausstellung hatte grossen Erfolg und viele Besucher wollten die Lätzchen kaufen. Da haben wir, mein Mann Daniel und ich, dann beschlossen in Produktion zu gehen.


Maude und ihr Mann Daniel


Hast Du ein besonderes Lieblingsmotiv aus der bisherigen Kollektion?
Ich mag sie natürlich alle gerne, aber ganz besonders das "Menu Degustation", da ich großen "Bling Bling"-Schmuck sowieso liebe!



Das Lieblingsmotiv der Designerin: Model "Menu Degustation"



Welche Zielgruppe hattest Du am Anfang im Kopf?
Natürlich Erwachsene. Keine bestimmte Altersgruppe, sondern einfach Menschen, die gerne essen. Natürliche Genießer, die auch über sich lachen können.

Für alle Generationen - Daniel hier mit seiner Nichte Frida 

Wie werden die "Bavoirs" (franz.: le bavoir - das Lätzchen) eigentlich hergestellt?
Wir lassen den Stoff in einem Pariser Atelier schneiden und nähen und dann geht's ab in unser Wohnzimmer. Die Designs werden vom Computer auf eine Transferfolie gedruckt, ausgeschnitten und dann mit einer Textilpresse in den Stoff gepresst. Danach werden die Lätzchen gebügelt, mit Druckknöpfen versehen, auf Fehler gecheckt und verpackt.

(Anm.d.Red.: Auch ich habe letzte Woche schon in besagtem Wohnzimmer dabei geholfen Lätzchen zu bügeln, Verpackungen zu kleben und die Produkte verkaufsfertig zu machen:-))

Wie und wo kann man Eure Mundtücher denn kaufen?
Natürlich auf unserer Website www.pretatacher.com. Sonst hier in Paris direkt über mich oder bei meiner Mutter in Hamburg (Telefonnummern stehen auch auf der Website). Außerdem gibt es unsere Produkte neuerdings auch im Online-Shop des "Feinschmeckers" (http://www.der-feinschmecker-club.de/de/pret-a-tacher-die-laetzchenkollektion-fuer-geniesser).   

Zu gebrauchen in allen Lebenslagen :-)

Gibt es schon Ideen das Lätzchen-Projekt weiterzuentwickeln?
Klar. Es wird nächstes Jahr eine weitere Lätzchenkollektion mit neuen Designs herauskommen. Ausserdem arbeiten wir momentan an der Entwicklung von Schürzen, Servietten und Papierlätzchen. Neue Infos gibt es selbstverständlich immer auf unserer Webseite.



Weitere Motive der aktuellen Lätzchenkollektion: Model "Linguine alle vongole" (oben) und "Couscous royal" (unten)

Zum Schluß: Als langjährige Bewohnerin dieser Stadt ... was ist für Dich typisch Paris?
Die Terrassen der Cafes, "les Parisiennes", die Künstler, Velib, die kleinen Appartments, die Architektur Haussman, Belleville, Canal St Marin.  

Danke für das Gespräch :-)


Wem von Euch nun also auffällt, dass er noch kein Weihnachtsgeschenk für den kleckernden Großvater, den Tomatensauce-liebenden Cousin oder die Hummer-versessene Nichte hat, der weiss ja jetzt, wo er fündig wird ...

BON APPÉTIT et à bientôt!

Montag, 6. Dezember 2010

PARIS: L‘hiver est arrivé ODER gegen die Kälte und für die Obdachlosen

MIT BILDERN VON Ver.Ena 
Es schneit!!! Der Winter ist da!!! Das heißt Plätzchenbacken mit Freunden, gemütliches Glühweintrinken auf dem Weihnachtsmarkt und (zumindest meistens ;-)) die Vorfreude auf Weihnachten mit der Familie. Doch neben dem alljährlichen Verkehrschaos, das die ersten Flocken auslösen (und das die meisten von uns jedes Jahr aufs Neue zur Weißglut treibtJ), bringt in Paris – wie in jeder anderen europäischen Großstadt – ein solcher Wetterumschwung noch ganz andere Probleme mit sich.
Es ist Freitagabend, auf dem Weg zum Restaurant stolpere ich fast über einen Mann, der sich mit seinem Schlafsack und einem Berg von Decken auf die Gitter eines U-Bahn-Schachts gelegt hat. Ich erhasche nur einen kurzen Blick auf sein verhärmtes unrasiertes Gesicht. 
Beim Umsteigen in der Metro schlurft eine Frau mit zerlöcherten Schuhen, wirren Haaren und einem sehr strengen Geruch nach Alkohol und Körperflüssigkeiten vor mir her. Ich überhole sie mit schnellen Schritten, denn der Gestank (anders kann ich es nicht nennen, auch wenn ich gerne würde) ist wirklich kaum auszuhalten.



SDFs – kurz für „sans domicile fixe“ – werden die Obdachlosen hier in Paris genannt. Laut offiziellen Schätzungen leben weit mehr als 10 000 von ihnen auf den Straßen der französischen Hauptstadt. Doch was passiert jetzt im Winter eigentlich mit all diesen Menschen, an denen unsere schnelllebige Gesellschaft meist nur eilig vorbeiläuft?
Plan Hiver
Damit sich um genau dieses Problem gekümmert wird, hat der Pariser Bürgermeister Delanoe Ende November den sogenannten „Plan zur Hilfe von Obdachlosen“  für den Winter 2010/11 vorgestellt. Dieser ist Teil des „Plan Hiver“ der 2006 von der französischen Regierung ins Leben gerufen wurde, mit dem Ziel, sich organisiert während der kalten Wintermonate um die Obdachlosen des Landes zu kümmern.  
Unterstützt wird dieser Vorsatz landesweit von vielen verschieden Projekten, unter anderem den sogenannten Restos du coeur, die sich durch Spenden finanzieren und die mittlerweile schon seit 25 Jahren mit über 50 000 Freiwilligen Obdachlose und Bedürftige in ganz Frankreichs mit Essen versorgen. Eine dieser Essensausgaben, habe ich in der letzten Woche einmal besucht.


Der Eingang zu der Kantine im 13. Arrondissement ist nicht so leicht zu finden. Drei Mal laufe ich an der Hofeinfahrt vorbei. Uralte kaputte Autos,  die teilweise statt einer Fensterscheibe nur noch braunes Paketband haben, und Mülltonnen säumen den Weg in den Hinterhof, in dem sich die Ausgabestelle in einem container-artigen Gebäude befindet. Die Männer - sowieso scheinen hier eigentlich nur Männer zu essen - an denen ich vorbeilaufe, schauen mich an, als wäre ich ein Außerirdischer und irgendwie fühle ich mich auch sehr fremd. Darf ich hier überhaupt einfach so hin? Ist das nicht irgendwie unangebracht?  
Über 450 heiße Mahlzeiten am Tag
Als ich zögernd vor dem Container stehen bleibe, spricht mich ein Mann an und ermuntert mich doch hereinzutreten. Ich atme einmal tief durch und trete ein. Alles gar nicht so schlimm. Niemand nimmt Notiz von mir. Der Geruch nach ewig durchgekochtem Essen mischt sich mit der kalten Luft von draußen. Die schlurfenden Schritte der Besucher lassen den dünnen Boden des Containers vibrieren. An zusammengeschobenen Tischen stehen Freiwillige mit weißen Plastikschürzen. Große Behälter mit rotem Eintopf stehen vor ihnen, daneben eine Kiste mit gestapelten Baguette-Hälften.  Ein netter älterer Herr, der hier schon seit drei Jahren als Freiwilliger arbeitet, erzählt, dass diese Einrichtung fast das ganze Jahr über geöffnet ist. Nur im Juli und August machen sie Pause. Egal ob Sommer oder Winter, jeden Mittag, von Montag bis Freitag, gehen hier durchschnittlich 450 Essen pro Tag raus. Jeder, der etwas bekommt wird fein säuberlich in eine Liste eingetragen. Nach welchen Kriterien wer allerdings was bekommt, ist mir nicht ganz klar geworden. Im letzten Winter standen den Restos du coeur rund 65 Millionen Euro an Spenden und staatlichen Hilfen zur Verfügung – ein Riesenprojekt.


Auch wenn natürlich keiner so wirklich mit mir reden wollte und Fotos machen nicht erwünscht war …  als ich den Container verlasse ist mein unbehagliches Gefühl, einem eher beruhigenderem gewichen. Natürlich scheint es für mich – die ich am Abend wieder in meine warme Wohnung inklusive gut gefülltem Kühlschrank zurückkehre – leicht so etwas zu sagen, und doch: Die Gewissheit, dass es hier jeden Tag, egal wie kalt es sein und wie viel es diesen Winter schneien wird, für die  Menschen, die aus den verschiedensten Gründen ihr zu Hause verloren oder verlassen haben, ein warmes Essen gibt, lässt einen doch ein bisschen leichter zurück in die Kälte gehen.

Mit diesen, heute mal etwas nachdenklicheren Grüßen aus Paris wünsche ich Euch allen eine schöne zweite Adventswoche.
À bientôt

Wer jetzt noch mehr über die Restos du coeur wissen möchte unter http://www.restosducoeur.org/ findet ihr es. Und wer jetzt noch etwas Gutes tun möchte, den möchte ich auf ähnliche soziale Projekte zur Unterstützung der Obdachlosen und Hilfsbedürftigen hinweisen, die es eigentlich in allen deutschen Großstädten gibt. Wie z.B. die Berliner (http://www.berliner-tafel.de/   ) oder die Hamburger (http://www.hamburger-tafel.de/index.php?sid=0 )Tafel.